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Die Familie: Ein Wirrwarr an Verwandtschaftsbezeichnungen

20. Juni 2020
Familienfeiern sind was Tolles – zumindest für Genealogen! Selten hat man so viele Verwandte an einem Ort beisammen und selten werden nicht Geschichten von Früher rausgekramt und zum Besten gegeben. Ein wunderbarer Ort, um vielleicht noch ein weiteres Puzzleteil für die Familienforschung zu finden. Doch wer ist eigentlich alles bei so einer Feier? Ist Max nun Ihr Großneffe oder vielleicht doch eher ein Neffe 2. Grades? Er ist ein Enkel Ihrer Tante also ist er … und schon steckt man mitten drin im Wirrwarr der Verwandtschaftsbezeichnungen.

Verwandtschaft – was ist das?

In der klassischen Genealogie bedeutet Verwandtschaft, dass zwischen zwei Personen eine biologische Verbindung besteht. Sie stammen entweder von einander ab oder haben gemeinsame Vorfahren. Bereits Diogenes von Apollonia (499 – 427 v. Chr.) sprach von einer „hämatogene Samenlehre“, die durch Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) ausgearbeitet wurde und gebräuchlicher Weise als „Blutsverwandtschaft“ bezeichnet wird, weil diese Lehre darauf beruht, dass ein Samen ein durch Umwandlung entstandenes Produkt des Blutes ist.

In der juristischen Betrachtung wird Verwandtschaft unterteilt in eine gerade Linie (linear) und in Seitenlinien (kollateral). Hierzu gehören auch nicht-biologische Abstammungen beispielsweise durch Adoption oder Vaterschaftsanerkennung.

Daneben gibt es noch die „affine Verwandtschaft“ auch indirekte oder angeheiratete Verwandtschaft genannt, die die Verwandten des Ehepartners sowie die Partner der Geschwister bezeichnet. Juristisch werden diese Personen allgemein als „Angehörige“ bezeichnet – auch wenn die Partnerschaft nicht mehr besteht. Hierzu zählen auch Pflegekinder und -eltern.

Verwandtschaftsbezeichnungen

Der Verwandtschaftsgrad

Um die „Nähe“ zweier Personen zu einander zu bestimmen, werden für die juristische Verwandtschaft die Anzahl der Geburten bestimmt, welche beide von einander trennen. Verwandtschaft ersten Grades sind eigene Kinder und eigene Eltern. Zur Verwandtschaft zweiten Grades zählen die eigenen Geschwister, die Großeltern und Enkelkinder. Zum dritten Grad zählen Onkel und Tanten, Neffen und Nichten, Urgroßeltern und Urenkel. Dies kann beliebt fortgeführt werden.

Diese Zählweise wird aufgrund seiner Einfachheit auch für den biologischen Verwandtschaftsgrad verwendet. Darüber hinaus haben Sewall Wright und Gustave Malécot, zwei Populationsgenetiker, den Verwandtschaftskoeffizienten (R) entwickelt, der auch als Inzuchtkoeffizient (F) bezeichnet wird. Alle Gene, außer die Geschlechtschromosomen X oder Y, liegen immer in zwei Varianten vor also als Genpaar: Eines von der Mutter und eines vom Vater. Der Verwandtschaftskoeffizient gibt nun die Wahrscheinlichkeit an, dass zwei Verwandte dasselbe, von einem der beiden gemeinsamen Vorfahren geerbte Gen tragen. Da sich in jeder Nachfolgegeneration das Erbgut etwa halbiert, erhält ein Kind durchschnittlich 50 % der mütterlichen und 50 % der väterlichen Gene. Somit ergibt sich folgendes Bild bei den verschiedenen Verwandtschaftsbeziehungen:

Verwandtschaftsbeziehung Verwandtschaftskoeffizient
Elternteil – Kind ½ = 50 %
Bruder – Schwester ½ = 50 %
Halbbruder – Halbschwester ¼ = 25 %
Großelternteil – Enkelkind ¼ = 25 %
Onkel, Tante – Nichte, Neffe ¼ = 25 %
Cousin – Cousine 1. Grades ⅛ = 12,5 %
Cousin – Cousine 2. Grades 1/32 = 3,125 %
Cousin – Cousine 3. Grades 1/128 = 0,78125 %

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person zwei identische Gene von der mütterlichen und der väterlichen Seite geerbt hat wird als Inzuchtkoeffizient angegeben, der dem halbierten Verwandtschaftskoeffizient entspricht.

Verwandtschaftsgrade im Kirchenrecht

Die Grundlage für die Verwandtschaftsgrade im Kirchenrecht geht auf das kanonische Recht, also das Kirchenrecht der römisch-katholischen Kirche zurück und unterscheidet ebenfalls die direkte Linie und die Seitenlinie. Der Verwandtschaftsgrad der direkten Linie entspricht der heutigen juristischen Bestimmung. Das alte Kirchenrecht (in dieser Form 1582 herausgegeben) unterscheidet sich jedoch in der Bestimmung der Seitenlinie: Vom Probanden und seinem Verwandten werden die Vorfahrengenerationen gezählt einschließlich des gemeinsamen Vorfahren. Die größere der beiden Zahlen gibt den Verwandtschaftsgrad an. 1983 wurde diese Zählweise mit dem sogenannten neuen Kirchenrecht geändert und entspricht nun auch dem juristischen Verwandtschaftsgrad.

Heiratshindernis

Schon früher gab es die katholische Dispenspraxis, also die Befreiung eines Ehehindernisses. Nach dem Kanonischen Recht der römisch-katholischen Kirche zählte dazu unter anderem die Blutsverwandtschaft in gerader Linie sowie bis in den vierten Grad der Seitenlinie. Nach aktuellem deutschem bürgerlichem Recht ist eine Verwandtenheirat zwischen Blutsverwandten in gerader Linie sowie zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern verboten. Dieses Verbot gilt auch für adoptierte Kinder im Verhältnis zu den Adoptiveltern und deren Verwandten.

Hinweis

Diese Bezeichnungen der Verwandtschaftsgrade gelten im deutschsprachigen Raum, im englischen und lateinischen sieht das alles schon wieder ganz anders aus. Eine Übersicht dazu findet sich dazu unter:

Quelle: Computergenealogie 1/2020 & wikipedia


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Im Mittelalter entwickelten sich immer mehr größere Ansiedlungen, die nach und nach das Stadtrecht erhielten. Gab es um 1100 in Mitteleuropa nur einige hundert Städte, kam es in den folgenden 250 Jahren aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwunges zu immer mehr Stadtgründungen. Da sich die Bewohner hier nicht mehr selbst versorgten, sondern durch Handwerk, Handel oder Verwaltungsarbeiten ihren Lebensunterhalt verdienten, wurde es notwendig, einen Überblick zu erhalten, wie viele Bürger mit Nahrungsmittel und Waren versorgt werden musste, wie viele Wehrpflichte zur Verfügung standen und vor allem wie hoch die zu erwarteten Steuereinnahmen sein würden. Daher wurden Personenverzeichnisse angelegt über den Teil der städtischen Bevölkerung, die das Bürgerrecht und damit einhergehende Bürgerpflichten innehatten. Um das Bürgerrecht zu erhalten, musste man häufig einen gewissen Grundbesitz sowie eine Mindestvermögen vorweisen bzw. einen Einkommensnachweis vorlegen. Außerdem musste das Bürgerrecht durch die Entrichtung eines Bürgergeldes erkauft werden. Damit erhielt man den Status eines Bürgers und hatte das Recht, ein Gewerbe nachzugehen sowie an Wahlen teilzunehmen, jedoch auch die Pflicht Steuern zu zahlen und im Verteidigungsfall seinen Beitrag zu leisten. Heute gibt es Bürgerbücher meistens nur noch für Ehrenbürgerschaften, wenn sich Personen besonders um ihre Stadt verdient gemacht haben. Bürgerbücher reichen oft zeitlich weit vor die Einführung von Kirchenbüchern und sind daher eine wertvolle Quelle für die Familienforschung. Auch geben sie Auskunft zu Einkommen und Wohlstand der Vorfahren. Jedoch konnten nicht alle Personen aus den oben genannten Gründen das Bürgerrecht erwerben, sodass sie nur einen privilegierten Teil der städtischen Bevölkerung umfassen. Einwohnerlisten sind dagegen vollständiger – wurden jedoch nicht jährlich erhoben. Einen Blick in das Bürgerbuch kann dennoch nicht schaden. Quelle: Computergenealogie 3/2023 & wikipedia